Zuzana KaliňakováKurator/ Text

 

 

Magdalena Felice

Kunsthistorikerin. Seit 1991 bei verschiedenen Institutionen sowie freischaffend im Kunst- und Kulturbereich u. a. in Graz tätig. Seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum Moderner Kunst Kärnten in Klagenfurt, Österreich

 

"Zuzana Kaliňakovás Erinnerungen an New York"

Zuzana Kaliňakováschöpft die Anregungen für ihre jüngsten Arbeiten auf Papier aus der Erinnerung an ihre Aufenthalte in New York City in den letzten Jahren. Es ist das ganz persönliche Erleben der Metropole, seine Rhythmen und visuellen Details, die sie interessieren, nicht repräsentative Ansichten. In großen, in Acryl gemalten und auf Spanplatten aufgezogenen Blättern, bei denen jeweils ein Farbton den Hintergrund dominiert und in weiß gehaltene Formen und Linien den Vordergrund netzartig überziehen, hält Zuzana Kaliňaková die eruptiven und pulsierenden Stimmungen ganzer Bezirke – wie Manhattan, SoHo oder Harlem – fest. In kleineren Arbeiten, in denen die Künstlerin unterschiedlichen Farben und Techniken auf Papier kombiniert, liegt ihr Hauptaugenmerk auf empfundenen und gesehenen Details. Die reduzierten, abstrakten Kompositionen aus chiffreartigen, farbigen Formen und linearen Zeichen, die die Künstlerin gelegentlich mit collageartig aufgebrachten Papierstücken kombiniert, führen uns aufs Wesentliche reduzierte Atmosphären und visuelle Erlebnisse Zuzana Kaliňakovás vor Augen. In Kombination mit Titel wie „Red Root“, „Orange Dot“, „Ketchup“, „Silver Shadow“, „Street Rain“ oder „Windy Walk“ gerinnen sie aus der Erinnerung heraus in der Gegenwart zu poetisch-musikalische Kompositionen.

Magdalena Felice                                                                                                   Klagenfurt 2013        

                                                                           
 
 
 

Doc.Peter Kocák MA, PhD.

Prešover Universität, philosophische Fakultät 
Grafiker Kalligraf Maler Kurator Sammler
 
 
 
 

„Über der Seele -  zärtliche Geheimnisse“

Die slowakische Malerin Zuzana Kaliňaková, stellt nach einigen erfolgreichen Soloausstellungen im Ausland ihre neusten Werke aus. Gegenüber ihren früheren Werken sehe ich einen großen Fortschritt in der Qualität ihrer originellen künstlerischen Aussage. In der Qualität der Auffindung der genaueren Form der Aussage über die Welt und ihre Seele. Die Werke von Z.K. sind artistisch, jedoch nicht in der Bedeutung l´art pour l´art, im Gegensatz, sie sind vollkommen künstlerisch in der Darstellung des schwer Darstellbaren,  und zwar der Seele der Kunst.  Essentielle Kunst. Kaliňaková arbeitet an ihrem sehr originellen, heute bereits sehr deutlichen Stil sehr zielstrebig und rastlos. Sie ist dickköpfig, ihre sympathisch verbissene Mühe ihren einzigartigen vollkommenen Ausdruck zu erreichen.  Ihre Kunst wird von jedem empfindlichen Perzipient verstanden. Wie dem Namen ihrer Werke zu entnehmen ist, findet sie Inspiration überall, um sich herum sowie auch im Inneren. Im slowakischen Umfeld ist das Werk von Kaliňaková Solitär. Sie unterscheidet sich von jeglicher herrschenden Mode, von jedem Trend, jedem Stil, jeder Ideologie, jedem Ismus. Dies ist ihre größte Division. Die Echtheit und Wahrhaftigkeit ihrer Werke, die Neuerungen, bilden ein selbstverständliches und erstrangiges Erkennungsmerkmal. In ihren Werken sind nicht einmal ähnliche Merkmale mit Werken ihrer Generation aufzufinden. Genau das ist interessant. Und anziehend gleichzeitig, selbstverständlich. Ebenfalls lohnt es sich wahrzunehmen, dass ihre Werke im Gegensatz zu mehreren gegenwärtigen slowakischen Künstlerinnen, die programmhaft feministische Werke bilden, keine solchen Züge tragen. Sie haben also keinen Bedarf sich vom Weltall der Kunst in eine besondere Lage welche ausschließlich den Frauen bestimmt ist zu stellen. Im Gegenteil. Ihre Werke stellen eine exzellente Demonstration der Kunst, einer ausdrucksvollen weiblichen Kunst im besten Sinn des Wortes dar. Die weibliche Sensitivität, die Intuition und die Tiefe der Gefühle. Gerade heutzutage empfinden wir immer mehr einen dringenden Bedarf der weiblichen Urkraft in der heutigen digitalen Informationsgesellschaft. Der Bedarf nach der ursprünglichen Schöpfungskraft, der natürlichen, selbstverständlichen, doch schleierhaften und erstaunlich geheimnisvollen gleichzeitig. Die Werke von Zuzana Kalinakova sind einstweiligen Charakters. Doch dennoch weiß ich, dass sie vollkommen realistisch sind, sie kommen aus keiner abstrakten Welt. Im Gegenteil, ihre Inspiration ist unsere private Welt, der innere Realismus der Seele. Das Rauschen des kleinen goldenen Laubs auf den Zweigen im sanften Frühlingswind. Dies ist eine von vielen Inspirationen der Werke von  Z.K. Freiheit der Seele. Der Körper. Der männliche und der weibliche Körper. Ihre ewigen Beziehungen. Das Begehren. Die Stille. Die Frage. Die Geste. Einem aufmerksamen Auge entgeht auch das verborgene existentielle Maß ihrer Werke nicht.  Wabi Sabi, ästhetische Prinzipe der japanischen Kunst. Die milde Betrübnis beim Anblick abfallender Blätter der so kurz blühenden wunderschönen japanischen Kirschblüte, das Verständnis  der immer fortsetzenden Veränderung der  Schönheitsformen. Von der deutlichen, schockierenden, bis hin zur fast unsichtbaren versteckten Schönheit, mit oft viel größerem Wert. Schichten, Zeiträumlichkeiten von Emotionen, Gefühlen, der Erkenntnis, der Existenz der Schönheit, der Bilder der Seele. Schichten sind eins der Erkennungsmerkmale der Werke von Zuzana Kalinakova. Es lohnt sich Gedanken über ihren Sinn, ihren Grund, ihre Bedeutung zu machen. Wenn man sich in diese vertieft, entdeckt man das Wesen der Welt der Künstlerin, in unendlichen Maßen und Dimensionen bildet sich das Bild ihrer Seele ab. Ich betone meinen Studenten an der Universität immer, dass das Wesen der bildenden Kunst das Unsichtbare darzustellen ist, also die Seele des Künstlers. Das für das Auge sichtbare darzustellen, ist einfach, das unsichtbare, ist viel schwieriger, und wichtiger. In der Kunst sehen wir, hören wir, nehmen wir wahr, und verstehen wir, ob wir nur mit dem in Resonanz sind, was wir bereits in der Seele haben. Die Seele entfaltet sich, lernt zu verstehen und zu lieben.  Die Werke von Zuzana Kaliňaková sind – voller Schönheit, sie haben ihren typischen erstaunlichen Esprit, einen Funken, eine nonchalante Eleganz, jedoch auch eine rasante Kürzung, eine Ausdrucksfülle, Zärtlichkeit, das Geheimnisvolle, die Magie, die Freude, sanfte Vollkommenheit in äußerlich zufälliger Form. Genau diese ist an ihren Werken so attraktiv, lässig, die selbstverständliche Unbefangenheit der Form des Ausdrucks und ihrer Geste. Kein Wunder, dass ihre Werke immer mehr Kunstfreunde, Kunstsammler finden, der Charme ihrer Kunst ist wirklich anziehend. In Kammerarbeiten bemüht sie sich im Gegenteil um einen maximalen Ausdruck in einer minimalen Geste. Es handelt sich um visuelles Haiku. Mit Minimum an Merkmalen erreicht sie eine maximal überraschende und oft rührende Pointe. Typische Merkmale der Werke von Kaliňaková sind die Geste, und die Schichten. Große Weltallsymphonien und das kleine Haiku des Mikrokosmos sind die zwei Pole ihres Schaffens. Beide diese Pole drücken die Schönheit des Kennenlernens derselben Seele aus.  Ein einziges Wort umfasst alles, was man noch über das Werk von Z.K. sagen könnte - SCHÖNHEIT.

Doc. Peter Kocák, MA, PhD                                                                                                                 Prešov, 03.02. 2017 

 

 

 

 

Sibylle von Halem
Künstlerin
 

Zuzana Kaliňáková stammt aus der Slowakei, sie lebt und arbeitet seit 2009 in Kärnten und in Bratislava Sie ist Malerin, Zeichnerin, Objektkünstlerin – und noch Einiges über diese Begriffe hinaus, das sich nur schwer definieren lässt. Ihre Bilder sind Objekte, sie verweigern den herkömmlichen rechteckigen Rahmen und vor allem verweigern sie die tradierte Sicht auf und in ein Bild als Blick durch ein „Fenster“. Schon lange bevor ein „Fenster“ in unserer Wahrnehmung ganz alltäglich etwas virtuelles bedeutete - das Dialog-Fenster am Computer drängt sich hier auf - war das Gemälde, vor allem das gerahmte Ölbild, mit einem „Fenster in die Wirklichkeit“ gleichgesetzt, das den Betrachter verleiten sollte, sich vom Hier und Jetzt zu trennen und in die neue (also virtuelle) Realität des Bildes einzutreten. Genau das wird in diesen Werken aber unmöglich gemacht: die meisten Bilder haben keinen Rahmen oder treten über ihn hinaus, durchbrechen die üblichen Grenzen des Bildes. Viele ihrer Werke sind Collagen – auf verschiedenen Papieren mit unterschiedlichen Farben gemalt, gezeichnet, aneinander gefügt, teils überlagert, geklebt, genäht – Untergrund, Hintergrund und Verfahren sind wandelbar, was durchaus auch sinnbildlich zu verstehen ist. Wo liegt die Basis, was wäre, wenn die Anordnung dieser Bestandteile eine andere wäre? Was ist, wenn ich woanders bin, was, wenn ich anders wäre als ich bin? Das Papier wirkt fein und verletzlich wie Haut, das stoffliche daran geht einem nahe, ob nun formgewordene Empfindungen, menschliche Körperteile oder mutmaßliche Schriftzeichen abgebildet sind oder miteinander assoziiert werden; die Bestandteile des Bildes gehen eine Verbindung ein, die haptisch erfahrbar bleibt. Auch ist nicht alles Papier, hin und wieder wird es handfest: als „Collage“ mit Holzstücken wird das Bild tatsächlich zum räumlichen Objekt. Es gibt durchaus auch rechteckige Bilder auf einem einzigen Stück Papier. Nur findet hier ein ähnlicher Prozess statt: das „Sujet“ bleibt nicht gehorsam in der Mitte der Bildfläche, wie man es gewohnt ist, es drängt gegen den Rand, verweigert die Begrenzung, geht über sich hinaus. Ist es ein Fragment, geht das „eigentliche“ Bild außerhalb des Papiers noch weiter? Was ist das „Ungesehene“? Wie wichtig ist das, was uns nicht gezeigt wird: ist es vielleicht das Wesentliche? Wie so oft im Erleben des eigenen Seins hat man das Gefühl, dass sich ganz kurz vor der Erkenntnis ein Schleier über die Wahrnehmung legt, das Ziel bleibt verborgen. Die Titel der Werke sind oft aufschlussreich: „Das Paar“ zeigt zwei Formen, von denen eine nur am Rand angedeutet, also eigentlich ganz „entzogen“ ist und unerfahrbar bleibt, auch „Die Edelsteine“ sind einer plus ein Fragment, fast wie ein Splitter, eine Scherbe. Ebenso stellt sich in manch eindeutig menschlicher Abbildung die Frage: männlich, weiblich - oder beides zusammen = Mensch? Bildet sich das Wesentliche in der Wahrnehmung vielleicht prinzipiell aus mehreren Fragmenten und nicht aus einer „vollständigen“ Abbildung? Wie weit kann das Bild eine Idee, eine Empfindung weiter führen, über die Grenzen des sprachlich erfassbaren hinaus? Der Fragenkatalog, den die Werke von Zuzana Kaliňáková aufwerfen, könnte noch um vieles erweitert werden - und auch hier sind die Fragen spannender und ergiebiger als alle möglichen Antworten. Das ist die Aufgabe der Kunst - sie entsteht im Geist des Betrachters, im Grenzbereich zwischen den Fragen und den Antworten.

 

Sibylle von Halem                                                                                                                         13. Februar 2017

 

 

 

 

Karoline Eberhardt

Kunsthistorikerin und Kunstvermittlerin

 
 

Stadtgalerie Amthof Feldkirchen 2014 

Zuzana Kaliňaková stammt aus Svidnik, einer Stadt in der Ostslowakei. In einem Zeitungsinterview erzählt sie, dass sie sich als kleines Mädchen immer sehr gut gefühlt hat, wenn sie gemalt hat. Dies war wohl der Auslöser den Weg einer Künstlerin einzuschlagen. Damit verbunden der Versuch dieses positive Gefühl an andere Menschen weiterzugeben – einen Moment des Glücks zu zaubern.

Zuzana Kaliňaková besuchte zuerst die Fakultät für freie Kunst in Kosice, danach die Akademie für Bühnenkunst in Bratislava. Anschließend setzte sie ihre Ausbildung an der Akademie für bildende Kunst und Design in Bratislava fort. 

Die Quellen der Inspiration für ihre Arbeiten sind vielfältig – auf Reisen sammelt sie Momente und Eindrücke, die von ihr noch vor Ort oder nach der Rückkehr in neue Arbeiten umgewandelt werden. Zuzana Kaliňaková hat bereits Irland, Myanmar und Madrid besucht und war mehrere Male in New York. Auf diesen Reisen werden Fundstücke zum Teil noch vor Ort bearbeitet – die Arbeiten werden zu bildhaften Zeugnissen der bewusst und unbewusst erlebten Wahrnehmung der Künstlerin.

Zuzana Kaliňaková arbeitet in unterschiedlichen Medien. Die Malereien und Arbeiten auf Papier sind häufig Auseinandersetzungen mit Gesehenem und Gefundenem. Farben und Formen wirken in unterschiedlicher Weise zusammen und ergeben ein reizvolles Spiel.

Kunst ist für Zuzana Kaliňaková die Auseinandersetzung mit der Umgebung – das setzt meiner Ansicht nach ein aufmerksames Beobachten und ein empfindsames Wahrnehmen voraus. Diese Art mit der Umgebung umzugehen ist der Künstlerin mit Sicherheit gegeben – diese klare und doch sehr empfindsame Sprache geben auch ihre Arbeiten zu erkennen.

Sie ist eine scharfe Beobachterin ihrer Umwelt und beschäftigt sich in vielen Arbeiten, vor allem den Objekten und Fotografien auch mit gesellschaftspolitischen Fragen – die Rolle der Frau und die Bedeutung von Religion und Macht werden von ihr sehr spielerisch und humorvoll hinterfragt. Sie selbst bezeichnet ihre Arbeiten als „frei, fröhlich, etwas frech und zum Nachdenken“.

 

Die Tuschearbeiten – „Momente, die ewig dauern…“

Die Tuschearbeiten sind auf Transparentpapier gearbeitet und entstammen einer Serie von Arbeiten, die im Jahr 2014 entstanden ist.

Die Tuschemalerei ist eine alte Mal- und Zeichentechnik, die vor allem in China und Japan über eine lange Tradition verfügt. Auch in der Kalligraphie, der Kunst des schönen Schreibens, wird mit Tusche gearbeitet. Die traditionelle Tuschemalerei versucht eine reduzierte Darstellung von Natur- und Landschaftsmotiven – dadurch entsteht eine eigene Form der Abbildung mit nur wenigen Pinselstrichen. Ebenso reduziert sind die Tuschearbeiten von Zuzana Kaliňaková – die Farben und Linien scheinen spontan und doch wohl überlegt zugleich.

Die Arbeiten versprühen eine meditative Energie – sie scheinen im Raum zu schweben. Dieser Eindruck des Schwebens wird durch das zarte Material und den behutsamen Farbauftrag vermittelt. Die weiße Rahmung und das Fehlen des Passepartouts verstärken den Moment der Leichtigkeit. Einzig zwei dünne Glasscheiben halten die Kunstwerke im Rahmen.

Die Farbakkorde und das durchscheinende Papier, akzentuiert vom Lichteinfall, ermöglichen eine besondere ästhetische aber auch innere Erfahrung, auf die man sich als Betrachter einlassen sollte. Die Arbeiten Zuzana Kaliňakovás entführen uns in einer Welt der Gefühle und Wahrnehmungen – Träume und Traumwelten sind durchaus passende Vergleiche.

Die Künstlerin selbst vergleicht die Tuschearbeiten mit Haikus, einer traditionellen japanischen Gedichtform. Wir alle kennen Haikus – doch was macht ein Haiku aus? Es ist die kürzeste Gedichtform der Welt, meistens aus drei Wortgruppen bestehend. Die Wörter werden vertikal aneinandergereiht und sind im deutschsprachigen Raum meistens dreizeilig. Ein Haiku ist eine Momentaufnahme – ein Geschehen wird genau beobachtet – eine bestimmte Stimmung wird zum Ausdruck gebracht. Einzelne Dinge sind wie Repräsentanten bestimmter erlebter Momente und damit verbundener Gefühle. Fallende Blätter versinnbildlichen so den Herbst und sollen das Gefühl der Melancholie umschreiben. 

Eine Passage aus einer Sammlung aller und neuer Gedicht aus dem Jahr 905 liefert eine sehr treffende und schöne Beschreibung dessen, was ein Haiku ausmacht: „Die japanische Dichtung hat als Samen das menschliche Herz, und ihr entsprießen unzählige Blätter von Wörtern. Viele Dinge ergreifen die Menschen in diesem Leben: Sie versuchen dann, ihre Gefühle durch Bilder auszudrücken, die sie dem entnehmen, was sie sehen und hören.“ 

Die Tuschearbeiten Zuzana Kaliňakovás beziehen sich auf Gedichte, die sie selbst verfasst hat. Das sind Gedichte über die Wahrnehmungen und Empfindungen einer jungen Frau - Zuzana Kaliňaková schreibt über die Liebe und den damit verbundenen Höhen und Tiefen.

Einzelne Textstellen oder Formulierungen dieser Verse haben die Künstlerin zu konkreten Farb- und Formharmonien angeregt. Die entsprechenden Passagen wurden für die Ausstellung ins Englische übersetzt und sind neben dem jeweiligen Kunstwerk zu lesen.

Ähnlich einem Haiku werden auch hier Dinge angedeutet – häufig sind es Metaphern, die uns zusätzliche Vorstellungen ermöglichen. Die Textstellen und die Bilder beziehen sich auf konkrete Gefühle – doch die individuelle Wahrnehmung spielt eine große Rolle. Im Augenblick des Betrachtens werden persönliche Gefühle abgerufen und so öffnet sich ein ganzes Meer an Empfindungen vor diesen wunderbaren Arbeiten. Jede Arbeit schenkt uns einen zauberhaften Moment.

 

Karoline Eberhardt                                                                             Feldkirchen 2014

 

 

 

 

 

 

 

Marko Košan

Kunsthistoriker, Publizist, Kunstkritiker, Essayist, Kolumnist, schreibt Rezensionen für viele slowenische und internationale Zeitungen und Kunstzeitschriften. Mitglied der Slowenischen Vereinigung der Kunstkritiker und AICA. Kurator in der Koroška galerija likovnih umetnosti in Slovenj Gradec, Slowenien (Direktor 2008-2013).

 

Die Arbeiten von Rudi Benétik und Zuzana Kaliňakova entstanden als Nachklang von Erlebnissen bei drei kürzeren, aufeinanderfolgenden Besuchen der zentralen Metropole der modernen globalisierten Welt in den Jahren zwischen 2011 und 2013. Der gemeinsame Titel »New York Papayas« resümiert spontan die semantisch unverständlichen und aus dem Aussagekontext entwichenen Worte auf einem vergilbten, zerfetzten Plakat, auf das sie bei einem Bummel durch das New Yorker Viertel Chelsea gestoßen waren, und unterstreicht symbolisch Benétiks verspielte, schon in der Vergangenheit erkennbare Art und Weise des bildnerischen Blickwinkels. In der Verflechtung der gemeinsamen Erzählung gesellte sich ihm auch Zuzana Kaliňakova hinzu; in den Arbeiten der beiden Künstler ist eine charakteristische bildnerische Geschichte mit indikativischen Titeln zu verfolgen, aber ohne direkte und leicht erkennbare Hinweise auf die dargestellten Motive. Obwohl diese Geschichte auf den ersten Blick rätselhaft ist, verschärft sie in Wirklichkeit die gängigen Vorstellungen von der Welt, wie wir sie kennen, und macht uns auf wertvolle Details aufmerksam, die wir in der Hastigkeit und Gier des täglichen Lebens so oft und allzu leichtfertig übersehen, obwohl sie da sind, die ganze Zeit um uns und mit uns, und uns zumindest unbewusst mit Energie füllen, die für das tagtägliche Überleben in hohem Maße notwendig ist. Rudi Benétik und Zuzana Kaliňakova verstehen es, beim unbedeutendsten Wunder der Schöpfung innezuhalten und es zum Symbol des lebendigen Lebens zu erheben. Bei der Betrachtung ihrer Arbeiten haben wir das Gefühl, dass der schöpferische Akt der Interpretation der Welt weitgehend schon in dem Moment beendet wäre, wo das aufregende Bild auf der Netzhaut ihrer Augen eingefangen wird und sich im nächsten Augenblick zu einem spirituellen Erlebnis mit einer solchen visuellen Brisanz verändert, dass es auf die weiße Fläche des Zeichenpapiers übertragen werden kann. Die verstreuten Bruchstücke des subtilen Aufspürens des Bildnerischen gleichen intuitiven Piktogrammen auf den Seiten eines intimen künstlerischen Tagebuchs, das die organische Glut des geheimnisvollen Pulsierens der Lebensräume der Weltstadt New York durchströmt, wo sich zwei individuelle Geschichten verweben, die zu einer vereint wurde. Unterwegs entstanden zahlreiche Skizzen, die sich später, durch die Wiedergabe der Reiseimpressionen im heimischen Atelier in Jaunstein, zu einem kaleidoskopischen Mosaik des unsichtbaren Pulsierens von New York vervollständigten, so wie es die beiden Künstler erlebt und empfunden haben. Ihr Auge, die Bleistiftspitze und zuweilen nur der Kreidestaub auf ihren Fingerspitzen stehen entspannt im Dienst der bildnerischen Aufzeichnung flüchtiger, manchmal ganz ephemerer und trivialer Geschehnisse. Tatsächlich interessieren sie Zufallssituationen – »frozen actions« – wie sie Rudi Benétik nennt, bei denen die Spontaneität des eben vergangenen Augenblicks, wiedergegeben in der nicht präzisierten bildnerischen Komposition zahlreicher, ganz gewöhnlicher und alltäglicher Gegenstände, die scheinbar ungeordnet, aber in Wirklichkeit höchst präzise viel sagende Geschichten der New Yorker Restaurants, Jazzklubs und Läden, des Pulsierens der Leuchtreklamen und der versteckten Blicke in entlegene Winkel der sog. »back alleys«, des Dröhnens des Verkehrschaos und des gedämpften Knirschens des Sandes auf den Wegen des Central Park erzählen, von ihrem versierten Voyeurblick erhascht wird. Nirgends aber wird man die Wolkenkratzer der berühmten Skyline von Manhattan oder die sonstigen emblematischen stereotypen Bilder des Big Apple erblicken, sondern nur sinnliche Bruchstücke der visuellen Impressionen des spontanen Bummelns entlang dem undefinierbaren Rand der bewussten und unbewussten Entdeckung ganz alltäglicher Situationen auf der Suche seiner selbst, im Streben nach einem ausbalancierten Verständnis der Welt. Die sensiblen Kompositionen und Formen, die uns aus Benétiks und Kaliňakovas Bildern mit einem verschämten Geheimnis ansprechen, hat die heutige Zeit der pompösen und schockierenden elektronischen Bilder, die vor unseren verhexten Augen unaufhörlich über die Bildschirme gleiten, skrupellos an den Rand unseres Bewusstseins gedrängt. Anscheinend sind nur diejenigen imstande, noch zu den ursprünglichen Expressionen des greifbaren materiellen und geistigen Lebens zu sinken, die dem Pulsieren der winzigen Hinweise der Schöpfung sensibel lauschen. Die intensive Aussagekraft der Arbeiten von Rudi Benétik und Zuzana Kaliňakova lässt so immerfort die typische zusammenhanglose und hastige Erzählweise eines Kindes anklingen, wenn es ohne Atempause das aufregende Erlebnis einer Schulexkursion oder eines Sonntagsausflugs zu beschreiben sucht. Obwohl wir den Wortschwall des Kindes nur schwer in eine halbwegs verständliche Geschichte einpassen können, erfüllt uns ihre Direktheit und wohlmeinende emotionale Offenheit, sodass wir ihr genussvoll zuhören.

 

Marko Košan                                                                                                                 Slovenj Gradec 2013